175, diese stolze Jubiläumszahl haftet der Schützenverein Bad Essen in diesen Tagen auf seine Fahne. Lange Zeit bestand Unklarheit über das wirkliche Gründungsjahr des Schützenvereins. So feierte man 1935 das 75jährige Bestehen des Vereins, weil die ersten Aufzeichnungen im Protokollbuch aus dem Jahre 1860 stammen. Erst viele Jahre später bei der Wiedergründung des Schützenvereins nach dem 2. Weltkrieg, konnte eine Urkunde vorgelegt werden, wonach der Verein schon im Jahre 1844 gegründet wurde. Einige Jahre danach fand sich dann eine Urkunde aus dem Jahre 1840, aus der ersichtlich ist, dass bereits in diesem Jahre mit der Vereinsarbeit begonnen wurde.
Über die ersten Jahrzehnte des Vereinslebens lässt sich nur aus mündlicher Überlieferung berichten. So wurden die ersten Gespräche, die zur Gründung des Schützenvereins führten, vor „Bulthaupts Backofen“ (heute Gasthaus „Auf dem Kampe“) geführt. Man strebe mit der Gründung des Schützenvereins „eine Förderung der Volksgemeinschaft an und den Zusammenschluss aller Bad Essener Bürger, wobei kein Unterschied gemacht wurde zwischen Arbeitern und Fabrikanten, Bauern und Rechtsanwälten, Handwerkern und Beamten“. Bereits 1860 hatten sich 90 Essener in die Mitgliederlisten des Schützenvereins eingetragen, dessen Ziel lt. Satzung von 1860 in geselligen Vergnügen bestand, wobei „alles, was nicht auf die Geselligkeit abzielte, streng zurückgewiesen wurde“.
Selbstverständlich widmete der Schützenverein sich außerdem in erster Linie dem Schießsport. Hier wiederum stand im Mittelpunkt des Interesses natürlich das Schützenfest.
Schon beim Schützenfest 1861 nannte der Verein eine Fahne sein eigen, die Fahne, die heute in einer Vitrine der Luftgewehrschießsportanlage aufbewahrt wird.
Das wertvollste Dokument des Schützenvereins, die silberne Königskette, wurde im Jahre 1865 angeschafft. Vom Jahre 1861 an ist von jeder Schützenkönigin und jedem König ein mit dem Namen versehenes Wappenschild an der Kette befestigt, und so ist die Nachwelt vorzüglich unterrichtet über die Personen der Schützenkönige und –Königinnen.
Feierte man das Schützenfest zunächst in Abständen von zwei bis drei Jahren, so ging man um die Jahrhundertwende schließlich dazu über, das Schützenfest jährlich stattfinden zu lassen. Eine Rechnung aus dem Jahre 1904 für die „Anfertigung des Vogels zum Kinderschützenfest“ zeigt uns, dass bereits um die Jahrhundertwende die Kleinen es den Großen gleichtaten und eifrig um die Königswürde rangen.
Die Art und Weise, wie das Schützenfest gefeiert wurde, hat sich in der 175jährigen Vereinsgeschichte nur wenig geändert. Höhepunkt eines jeden Festes war schon immer der Kampf um die Königswürde, die mit wenigen Ausnahmen nach dem Adler ausgeschossen wurde. Zeitweise trat an die Stelle des Adlers die Scheibe. Im Schießen auf die Scheibe zeigte sich vor allen Dingen der gute Schütze, so dass nach diesen Schießergebnissen auch die Preise verteilt wurden. Außerdem hat man in früheren Jahren auch nach der Flatter geschossen, einem achtfachen Strahlenkranz, in dessen Spitze Glasscherben befestigt wurden, die der Schütze zu treffen hatte.
Die größte Veränderung der vergangenen Jahre im Festablauf war die Abschaffung des traditionellen Schützenmontages im Jahr 1999. Mit Ulk, Deutscher Stunde, Festessen und Königsschießen hatte er doch immer einen besonderen Platz und markierte den Höhepunkt jeden Festes. Mangelnde Akzeptanz der Festlichkeit auf einem Regelarbeitstag und die damit stark sinkenden Teilnehmerzahlen zwangen den Vorstand zu dieser Zäsur.
Schoß man den König dann zunächst am späten Sonntag aus, so zwang der Wechsel des Festplatzes, den besonderen Höhepunkt auf den Samstag vorzuverlegen. Heute wird um Fenderteile und Königswürde bereits 1 – 2 Wochen vor dem eigentlichen Fest gerungen. Aber, wer weiß, vielleicht gibt es in naher Zukunft wieder die Möglichkeit einen König auf dem eigentlichen Fest zu ermitteln.
Hinsichtlich des Platzes war das Schützenfest im Lauf der Jahre manchem Wandel unterworfen. Der idealste Platz, den man sich für ein Volksfest wünschen kann, war wohl der erste unter Siek’s Buchen, ein geräumiger schattiger Platz, der sich ungefähr an der Stelle des früheren Konzertplatzes in den alten Kuranlagen befand. In Bezug auf den Schießstand scheint aber dieser Platz nicht ganz befriedigt zu haben, denn schon im Jahre 1880 wechselte man es mit Siek’s Kuhweide, dem jetzigen Peter-Rickmers-Platz. Da die Weide noch nicht dräniert und somit sehr sumpfig war, erwies sich auch dieser Platz als ungeeignet. Als neuen Festplatz wählte man Düffelmeyer’s Bergteil nahe der Eielstädter Grenze, aber auch das war keine Ideallösung, da sich insbesondere durch das Fehlen eines Gasthauses in der Nähe des Festplatzes in der Bewirtung Schwierigkeiten ergaben.
Im Jahre 1900 siedelte man dann wieder zum Peter-Rickmers-Platz über, dem Gelände, das inzwischen durch Dränierung und parkmäßige Anlage ein ganz anderes Gesicht bekommen hatte. Durch die Errichtung der „Friedenshöhe“ war auch die Frage der Bewirtung behoben. Enger und enger wurde das Verhältnis des Schützenvereins zum Hause Damkröger, was nachdem Ausbau der Friedenshöhe dazu führte, dass das Schützenfest auf dem eigenen Gelände der Gaststätte gefeiert werden konnte. Die einzige Schwierigkeit bestand jetzt noch in dem Weg vom Festplatz zum Schießstand. Hatte man zunächst in „Kotenbergs Steinkuhle“ in der Nähe des Peter-Rickmers-Platz geschossen, so wurde seit 1924 die Schießwettbewerbe in der „Schießhalle“, der ehemalige Bierstube der Gaststätte „Friedenshöhe“ ausgetragen (Das Gebäude stand bis Mitte der 1980er am Fuß des Hügels zum ehemaligen Hotel und wurde später abgerissen). Geschossen wurde in Richtung Hohlweg hinter der Schießhalle.
Im Jahre 1935, anlässlich des damaligen Jubiläumsschützenfestes, konnte ein neuer, landschaftlich ideal gelegener Schießstand, in unmittelbarer Nähe des Festplatzes eingeweiht werden. Schießstand und Vereinsheim waren über viele Jahre liebgewonnenes „Zuhause“.
Mit der Insolvenz des Hauses Damkröger war der Verein für das Schützenfest ab 2003 auf einen neuen Festwirt angewiesen und wechselte an den Ort ihrer Gründung zurück. Zentral und mitten im Ort wurde „Rund um Bührmann’s Diele 10 Jahre gefeiert.
Zunächst konnten die schießsportlichen Wettkämpfe weiter auf der Anlage im Wald stattfinden. Nachdem der Hotelkomplex und das Grundstück einschl. des Schießstandes jedoch versteigert wurde und mit dem neuen Besitzer (auch juristisch) keine Lösung zur weiteren Nutzung gefunden werden konnte, blieb 2007 nur der endgültige Umzug des Königsschießens in die Luftgewehr-Schießsportanlage „Im Aßbruch“.
Bald musste man feststellen, dass die Räumlichkeiten am Gasthaus „Auf dem Kampe“ sehr beengt und eine weitere und zukunftsweisende Entwicklung nicht möglich war. So nahm man unmittelbar nach dem Jahresfest 2012 erste Gespräche mit den Eigentümern des Höger’s am Kirchplatz auf und sondierte Möglichkeiten für einen Neustart auch im Hinblick auf das Kreisschützenfest 2015. Man fühlte sich sofort willkommen und fand ideale Räumlichkeiten vor. Lediglich das Adler- und Königsschießen der Erwachsenen kann dort (noch) nicht stattfinden.
Die Reihe der Schützenfeste, wie das Vereinsleben überhaupt, wurde öfters unterbrochen durch Kriege und politische Ereignisse. Zuerst war der Deutsch-Französische-Krieg 1870/71, der das Vereinsleben zum Erliegen brachte. Nachdem man nach dem 1. Weltkrieg 1920 erstmals wieder Schützenfest feiert, musste man in den Jahren 1922 und 1923 infolge der Hochinflation wiederum eine unfreiwillige Pause einlegen. Bis zum Jahre 1933 wählte der Schützenverein seine verantwortlichen Männer, den Präsidenten und die übrigen Vorstandsmitglieder, in seiner Jahreshauptversammlung.
Im Jahre 1933 wurde dann auch im Schützenverein zwangsweise das Führerprinzip durchgeführt, und so wählte der Verein seine Präsidenten zum Führer, der seinerseits die übrigen Mitglieder des bisherigen Vorstands in den Führerrat berief.
Eine jähe Unterbrechung im Vereinsleben des Schützenvereins gab es im Jahre 1939 mit Ausbruch des 2. Weltkrieges. Erst 10 Jahre später, im Jahre 1949 konnte wieder mit der Vereinstätigkeit begonnen werden und dieses auch nur unter größten Schwierigkeiten. Der Krieg hatte schmerzliche Lücken in die Reihen der Schützenbrüder gerissen.
Auf der ersten Mitgliedversammlung nach dem 2. Weltkrieg am 23.04.1949 sprachen sich die Anwesenden einstimmig für die Neugründung des Vereins aus und bestätigten die vorbereitete Satzung. Zum ersten Vorsitzenden des neugegründeten Vereins wählte man Wilhelm Glüsenkamp, ihm zur Seite stand Fritz Schumacher. Der erste Jahresbeitrag wurde auf 3,00 DM festgelegt, daneben wurden 2,00 DM als Schützenfestbeitrag erhoben.
Die Militärregierungen waren streng darauf bedacht, in Deutschland keine militärischen Handlungen mehr zu dulden. Schusswaffen waren in dieser Zeit für Deutsche undenkbar, darum führte man das Adlerschießen auch zunächst mit der zu 50% aus privaten Beihilfen bezahlten Armbrust durch. Systematisch und sehr schnell erblühte der Schützenverein in dieser Nachkriegszeit wieder zu „vollem Leben“ und entwickelte immer neue Aktivitäten. So wurde die Fahnengruppe wieder ins Leben gerufen, man beschloss jährlich ein Winterfest zu feiern und gründete eine Schießgruppe. Eine wertvolle Verbindung konnte zum Reit- und Fahrverein Bad Essen hergestellt werden, und so begleiteten von 1949 bis in die 1990er Reiter den Festumzug des Schützenvereins.
Schwerpunkt in der Vereinsarbeit war die Wiederinstandsetzung, Erhaltung und Erweiterung des Schießstandes auf der Friedenshöhe, sowie der Aufbau der neuen Luftgewehr-Schießsportanlage „Im Aßbruch“. Beides konnte nur durch den vorbildlichen freiwilligen Arbeitseinsatz vieler Schützen, aber auch unter erheblichen finanziellen Belastungen ausgeführt werden, was den Verein immer wieder an den Rand des Machbaren geführt hat.
Nach mehreren provisorischen Schießständen konnten auf dem Boden der Tischlerei Nordsiek ein einigermaßen vernünftiger Stand für die Luftgewehrschützen errichtet werden. 1967 fand dann die Schießgruppe mit dem Luftgewehrschießstand im Keller des damaligen Feuerwehrhauses ein neues Zuhause. Am 29. Oktober 1997 konnte der Verein offiziell die neuerrichtete Luftgewehrschießsportanlage „Im Aßbruch“ übernehmen. Schnell entwickelten sich die Räumlichkeiten zum Mittelpunkt des Vereinslebens.
2007 verweigerten die neuen Eigentümer die weitere Nutzung des Schießstandes „Heinrichshöhe“. Trotz mehrerer Gespräche und schließlich juristischer Verfahren durch die Instanzen, verlor der Verein ein Stück Heimat, an dem viele großartige Erinnerungen hängen.
Im Jahre 1961 begann man mit der Errichtung der Königssteine auf der „Heinrichshöhe“. Sie waren dort der Rahmen für die besondere Atmosphäre, die diese Anlage so einzigartig machte. Die Steine wurden später an die Luftgewehr-Schießsportanlage „umgesiedelt“.
Im selben Jahr konnte die Königskutsche angeschafft werden. Der sogenannte Landauer wurde von einigen Vereinsmitgliedern gestiftet und fährt auch heute noch im Umzug mit.
Eine verhältnismäßig kurze Episode in der Geschichte des Schützenvereins stellt der 1963 auf Initiative des damaligen Königs gegründete Fanfarenzug dar. Dieser Musikzug präsentierte sich mit wechselndem Erfolg und wurde 1981 in die Selbständigkeit entlassen.
Ein denkwürdiges Ereignis war die Weihe einer neuen Vereinsfahne im Jahre 1975. Die Anschaffung, wiederum zum großen Teil aus Spenden ermöglicht, war erforderlich geworden, um die traditionsreiche alte Fahne aus dem Jahre 1861 vor weiterem witterungsbedingtem Zerfall zu bewahren und damit zu erhalten.
Im Laufe der Jahre war man immer wieder bemüht, aber auch durch zeitbedingte Einflüsse gezwungen, hinsichtlich des Schützenfestes neue Konzepte zu entwickeln. So wurde z.B. zeitweise auf eine Blaskapelle verzichtet, was sich aber letztlich als falsch erwies.
Aus dem einstiegen Königsbier entwickelte sich über die Jahre hinweg das Grünkohlessen, das seit einigen Jahren zusammen mit dem Winterfest gefeiert wird.
Nach 175 Jahren Vereinsgeschichte kann man heute eine vorläufige Bilanz ziehen: Trotz Höhen und Tiefen, trotz mancher Schwierigkeiten, wie sie in jedem Vereinsleben gelegentlich auftreten, prägte der Verein über Jahre hinweg das Leben vieler Bad Essener und ist mehr als nur Freizeitgestaltung. Eine solche Entwicklung war und ist jedoch nur möglich durch große Opfer, durch viel Idealismus, Arbeits- und Einsatzbereitschaft der Mitglieder, gerade in einer Zeit, wo Vereinsarbeit, Schießsport und Tradition nicht mehr den Stellenwert in unserer Gesellschaft finden.
Mögen dem Schützenverein Bad Essen auch in Zukunft solche Idealisten beschieden sein, die mit Ihrer Kraft Neues schaffen und alte Traditionen pflegen, zum Wohle der Gemeinschaft, zum Wohle des Schützenvereins Bad Essen von 1840 e.V.
Horrido!!!